Du kannst es nicht allen recht machen

Viele Menschen haben das Gefühl, es allen recht machen zu müssen. Gehörst Du auch dazu?

Dann kann Dich die folgende Geschichte vielleicht etwas zum Nachdenken anregen.

Ein Vater war mit seinem Sohn und einem Esel auf dem Weg zum Markt, der einige Kilometer entfernt stattfand. Der Vater führte und der Junge saß, ein Liedchen vor sich hin pfeifend auf dem Esel. Als sie das erste Dorf erreichten, begegneten sie einem älteren Mann, der kopfschüttelnd und schimpfend an ihnen vorbei lief.

„Guck sich einer diesen verzogenen Burschen an. Er thront hoch oben auf dem Esel und sein armer alter Vater läuft nebenher. So eine Unverschämtheit!“

Der Junge nahm sich die Worte sehr zu Herzen und an der nächsten Weggabelung stieg er vom Esel und bat seinen Vater aufzusitzen.So zogen sie weiter, bis sie ins nächste Dorf kamen. Auf dem Dorfplatz spielten Mütter mit ihren Kindern und schüttelten missbilligend den Kopf, als sie das Gespann sahen. 

„Der arme kleine Junge. Er kann kaum Schritt halten und dem Vater scheint das völlig egal zu sein. Wie kann man ein Kind nur so behandeln?“

Der Vater wurde rot vor Scham, reichte seinem Sohn die Hand, um zu ihm auf den Esel zu steigen.Beide auf dem Rücken des Esels reitend verließen sie das Dorf. Es dauerte nicht lang und ein Vorübergehender erhob seine Stimme.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein. So eine Tierquälerei. Dem armen Esel hängt der Rücken durch und diese zwei Herrschaften ruhen sich auf ihm aus.“

Resigniert stiegen Vater und Sohn vom Esel und setzten, neben dem Esel laufend, ihren Weg fort. Als sie den Markt erreichten, lachten die Menschen und machten sich über sie lustig.

„Wie kann man nur so dumm sein. Wozu hat man einen Esel, wenn er niemanden tragen kann?“Der Vater stellte einen Wassereimer vor den Esel und legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. 

„Es ist egal, was wir machen.“, sagte er, „es wird immer jemanden geben, der damit nicht einverstanden ist. Es ist wohl unmöglich, es allen recht zu machen.“

(frei nach einer Geschichte von Nasreddin Hodscha)

Sich an den Erwartungen und Regeln unserer Mitmenschen zu orientieren ist bis zu einem gewissen Maß völlig normal und erleichtert das Zusammenleben in einer Gesellschaft.

Wenn Du jedoch das Gefühl hast, das Deine Bedürfnisse dauerhaft zu kurz kommen oder vielleicht Schwierigkeiten, Dich für „das Richtige“ zu entscheiden, dann bedenke, das es unmöglich ist, es allen gleichermaßen recht zu machen. Jeder Mensch hat seine eigene Wirklichkeit, die auf seinen Erfahrungen beruht und seine Wahrnehmung färbt. Objektiv betrachtet gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern lediglich eine subjektive Einschätzung einer Situation. 

Vor der Veränderung kommt das Verstehen.

Nachdenkfragen:

  • Wie wichtig ist es für Dich, was andere von Dir denken?
  • In welchen Bereichen Deines Lebens stellst Du die Bedürfnisse anderer über Deine eigenen?
  • Kannst Du Dich an eine Situation erinnern, in der Du etwas getan hast, von dem Du heute weißt, das Du nur des „lieben Friedens Willen“ oder um zu gefallen getan hast?
  • Wie fühlt es sich für Dich an, wenn Du etwas tust, nur um anderen zu gefallen? (Wo in Deinem Körper spürst Du das?)
  • Wenn Du heute noch einmal in dieser Situation wärest und Du würdest entscheiden, was DU wirklich willst, was wäre anders?
  • Gäbe es vielleicht sogar einen oder mehrere Vorteile für die Personen, die von Deiner neuen Entscheidung betroffen wären? Was wäre „das Gute“ daran für diese Menschen?