Das Problem mit dem Ersatz-Ich

Das Thema nicht genug zu sein…nicht gut genug zu sein plagt viele Menschen, die nach meiner Unterstützung suchen. Oftmals ist diese einschränkende Überzeugung bereits im Kindes- und Jugendalter entstanden. Den Erwartungen der Eltern nicht zu entsprechen, erzeugt in uns als Kind eine tiefsitzende Angst, sind wir doch auf deren Versorgung und Liebe angewiesen um zu überleben.

Als Kind sind wir Meister im Beobachten und Erfassen von Situationen und Stimmungen und bereit uns so anzupassen, daß wir die so dringend benötigte Liebe, Anerkennung und Versorgung erhalten. Wir entwickeln Strategien und Verhaltensweisen die geeignet sind um unseren Eltern zu gefallen.

Die folgenden sind nur einige plakative Beispiele, die jedoch, wie wir später sehen werden, zu generalisierten Überzeugungen führen können, deren Auswirkungen wir noch heute täglich ausgesetzt sind.

„Wenn ich aufhöre nach dem Warum zu fragen und die Dinge einfach hinnehme, bin ich ein gutes Kind.“

„Wenn ich brav am Tisch sitzen bleibe, wenn Oma und Opa zu Besuch sind, obwohl ich lieber draussen mit den anderen Kindern spielen würde, dann lobt mich der Papa.“

„Wenn ich lächle, obwohl mir eigentlich gar nicht danach ist, dann ist Mama gut gestimmt.“

„Wenn ich fleissig Klavierspielen übe, obwohl ich lieber mit den anderen Kindern auf dem Fussballplatz wäre, dann sind Mama und Papa stolz auf mich.“

„Wenn ich mich in einer Konfliktsituation, zu der ich gar nichts beigetragen habe, entschuldige, dann ist schnell wieder gute Stimmung zuhause.“

„Wenn ich nicht weine und nicht wütend bin, geht es meinen Eltern gut.“

„Wenn ich Anwalt werde, so wie der Papa, dann wird er stolz auf mich sein.“

usw.

Was damals eine notwendige und großartige Anpassungsleistung war kann uns heute allerdings im Weg stehen, um ein glückliches, selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen. Kennst Du die folgenden Gedanken?

„Eigentlich möchte ich am Wochenende einfach mal nichts tun und bräuchte dringend eine Pause aber die Einladung von XY und die Verabredung mit YX kann ich nicht einfach absagen.“

„Ich fühle mich total gestresst von dieser oder jener Aufgabe aber ich mache „gute Miene zum bösen Spiel“.“

„Eigentlich macht mir mein Job keinen Spass aber das Leben ist schließlich kein Wunschkonzert.“

„Wenn ich XY meine Meinung zum Thema YX sage, dann gibt es Stress.“

„Ich muss immer „gut drauf“ sein.“

„Die Anderen sind wichtiger als ich.“

usw.

Nach und nach haben wir ein „kompensatorisches Selbstbild“ entwickelt, das die gewünschte Anerkennung bringt. Dieses Ersatz-Ich wird gemocht, bekommt Anerkennung und Dankbarkeit o.ä.

Und weil unser Unterbewusstsein erfolgreiche Strategien nicht in Frage stellt, begleitet dieses Ersatz-Ich uns tapfer auf unserem Lebensweg, auch wenn wir längst nicht mehr auf die Versorgung und Zuwendung der Eltern angewiesen sind um zu überleben. 

Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert das fantastisch. 

Leider ist die Befriedigung durch Lob und Anerkennung im Außen nur temporär und das künstliche Selbstbild braucht ständig neues Futter, damit es stabil bleibt. Das ist nicht nur anstrengend und bedeutet ständigen Stress, sondern geschieht auf Kosten unseres wahren Selbst.  

Was bleibt ist eine leise Erinnerung an fast vergessene Träume der Kindheit und oftmals das Gefühl, daß es das noch nicht gewesen sein kann. 

Vor der Veränderung kommt das Verstehen.

Nachdenkfragen:

  • Wofür wurdest Du von Deinen Eltern gelobt?
  • Wann haben sie mit Dir geschimpft?
  • Womit konntest Du Deinen Eltern eine Freude machen?
  • Was war der größte Wunsch Deiner Eltern für Dich?
  • Wofür hast Du Deine Eltern als Kind bewundert?
  • Was war der größte Konflikt zwischen Euch?
  • Hast Du Dich von Deiner Mutter und Deinem Vater gesehen gefühlt?
  • Haben Deine Eltern Dir zugehört?

Wenn Du Dir die Zeit nimmst, diese Fragen zu reflektieren, ist es hilfreich dies schriftlich zu tun und sie Dir getrennt nach Mutter und Vater zu beantworten.
So kommst Du den Überzeugungen etwas näher, die damals hilfreich für ein harmonisches Zusammensein mit Deinen Eltern waren, Dir heute aber vielleicht im Weg stehen, um das Leben zu leben, das Dich erfüllt.

Wir sind auf dieser Welt um UNSER Leben zu leben.